Baden Geotouren                                                                   

  • Werner Kroll im Kurhaus Baden-Baden 1943

    „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.“(1)

     

    Kurhaus Parodie der Sensationen 1943 Werner Kroll I

     

    Kurhaus 1943 SPIEL FOLGE

    Quellen / Literatur

    (1) Werner Kroll um 1945: Zuschreibung bei Büchmann: Geflügelte Worte., S. 800, 32. Aufl., Haude & Spener, Berlin, Wikipedia

  • Giordano Bruno: Sonett zum Lobe des Esels

    Sonett zum Lobe des Esels

    O heil'ges Eseltum! 0 heilige Ignoranz!
    O heil'ge Dummheit! Heilige Frömmelei!
    Dir schafft die Seligkeit ein Eselschwanz,
    doch Wissenschaft gilt dir als Teufelei!

    Was frommt es auch, der fernen Sterne Glanz
    zu prüfen oder in der Bücherei
    zu grübeln über der Planeten Tanz,
    das Denken bricht ja nur den Kopf entzwei!

    Was nützt euch, Denkern, alles Spekulieren?
    Ihr dringt nicht in das Herz der Mücke ein
    und möchtet Mond und Sonne visitieren?
    Vergeblich sucht ihr stets der Weisen Stein.

    Kniet lieber hin und faltet fromm die Hände!
    Denn die Vernunft ist eine Satansdirne;
    drum betet, daß Gott euch den Frieden sende,
    der sonder Zweifel wohnt im frommen Eselshirne.

    Giordano Bruno, italienischer Dichter, Philosoph und Astronom, um 1585

  • Kurt Tucholsky: Der Mensch

    Kurt Tucholsky - Der Mensch

    Der Mensch hat zwei Beine und zwei Überzeugungen: eine, wenns ihm gut geht, und eine, wenns ihm schlecht geht. Die letztere heißt Religion.

    Der Mensch ist ein Wirbeltier und hat eine unsterbliche Seele, sowie auch ein Vaterland, damit er nicht zu übermütig wird.

    Der Mensch wird auf natürlichem Wege hergestellt, doch empfindet er dies als unnatürlich und spricht nicht gern davon. Er wird gemacht, hingegen nicht gefragt, ob er auch gemacht werden wolle.

    Der Mensch ist ein nützliches Lebewesen, weil er dazu dient, durch den Soldatentod Petroleumaktien in die Höhe zu treiben, durch den Bergmannstod den Profit der Grubenherren zu erhöhen, sowie auch Kultur, Kunst und Wissenschaft.

    Der Mensch hat neben dem Trieb der Fortpflanzung und dem, zu essen und zu trinken, zwei Leidenschaften: Krach zu machen und nicht zuzuhören. Man könnte den Menschen gradezu als ein Wesen definieren, das nie zuhört. Wenn er weise ist, tut er damit recht: denn Gescheites bekommt er nur selten zu hören. Sehr gern hören Menschen: Versprechungen, Schmeicheleien, Anerkennungen und Komplimente. Bei Schmeicheleien empfiehlt es sich, immer drei Nummern gröber zu verfahren als man es grade noch für möglich hält.

    Der Mensch gönnt seiner Gattung nichts, daher hat er die Gesetze erfunden. Er darf nicht, also sollen die andern auch nicht.

    Um sich auf einen Menschen zu verlassen, tut man gut, sich auf ihn zu setzen; man ist dann wenigstens für diese Zeit sicher, dass er nicht davonläuft. Manche verlassen sich auch auf den Charakter.

    Der Mensch zerfällt in zwei Teile:

    In einen männlichen, der nicht denken will, und in einen weiblichen, der nicht denken kann. Beide haben sogenannte Gefühle: man ruft diese am sichersten dadurch hervor, dass man gewisse Nervenpunkte des Organismus in Funktion setzt. In diesen Fällen sondern manche Menschen Lyrik ab.

    Der Mensch ist ein pflanzen- und fleischfressendes Wesen; auf Nordpolfahrten frißt er hier und da auch Exemplare seiner eigenen Gattung; doch wird das durch den Faschismus wieder ausgeglichen.

    Der Mensch ist ein politisches Geschöpf, das am liebsten zu Klumpen geballt sein Leben verbringt. Jeder Klumpen haßt die andern Klumpen, weil sie die andern sind, und haßt die eignen, weil sie die eignen sind. Den letzteren Haß nennt man Patriotismus.

    Jeder Mensch hat eine Leber, eine Milz, eine Lunge und eine Fahne; sämtliche vier Organe sind lebenswichtig. Es soll Menschen ohne Leber, ohne Milz und mit halber Lunge geben; Menschen ohne Fahne gibt es nicht.

    Schwache Fortpflanzungstätigkeit facht der Mensch gern an, und dazu hat er mancherlei Mittel: den Stierkampf, das Verbrechen, den Sport und die Gerichtspflege.

    Menschen miteinander gibt es nicht. Es gibt nur Menschen, die herrschen, und solche, die beherrscht werden. Doch hat noch niemand sich selber beherrscht; weil der opponierende Sklave immer mächtiger ist als der regierungssüchtige Herr. Jeder Mensch ist sich selber unterlegen.

    Wenn der Mensch fühlt, dass er nicht mehr hinten hoch kann, wird er fromm und weise; er verzichtet dann auf die sauern Trauben der Welt. Dieses nennt man innere Einkehr. Die verschiedenen Altersstufen des Menschen halten einander für verschiedne Rassen: Alte haben gewöhnlich vergessen, dass sie jung gewesen sind, oder sie vergessen, dass sie alt sind, und Junge begreifen nie, dass sie alt werden können.

    Der Mensch möchte nicht gern sterben, weil er nicht weiß, was dann kommt. Bildet er sich ein, es zu wissen, dann möchte er es auch nicht gern; weil er das Alte noch ein wenig mitmachen will. Ein wenig heißt hier: ewig.

    Im übrigen ist der Mensch ein Lebewesen, das klopft, schlechte Musik macht und seinen Hund bellen läßt. Manchmal gibt er auch Ruhe, aber dann ist er tot.

    Neben den Menschen gibt es noch Sachsen und Amerikaner, aber die haben wir noch nicht gehabt und bekommen Zoologie erst in der nächsten Klasse.

     

    Kaspar Hauser
    Die Weltbühne, 16.06.1931, Nr. 24
  • Thomas Morus: Gebet um Humor

    Gebet um Humor

    Schenke mir eine gute Verdauung, Herr,
    Und auch etwas zum Verdauen.
    Schenke mir Gesundheit des Leibes
    mit dem nötigen Sinn dafür,
    ihn möglichst gut zu erhalten.

    Schenke mir eine heilige Seele, Herr,
    die im Auge behält, was gut und rein ist,
    damit sie sich nicht einschüchtern läßt vom Bösen,
    sondern Mittel findet,
    die Dinge in Ordnung zu bringen.

    Schenke mir eine Seele,
    der die Langeweile fremd ist, die kein Murren kennt
    und kein Seufzen und Klagen,
    und lasse nicht zu,
    dass ich mir allzuviel Sorgen mache
    um dieses sich breit machende Etwas,
    das sich "Ich" nennt.

    Herr, schenke mir Sinn für Humor.
    Gib mir die Gnade,
    einen Scherz zu verstehen,
    damit ich ein wenig Glück kenne im Leben
    und anderen davon mitteile.
     

    Thomas Morus auch Sir Thomas More, englischer Staatskanzler und Humanist

  • Chistian Morgenstern: Das ästhetische Wiesel

    Das ästhetische Wiesel
    Ein Wiesel
    saß auf einem Kiesel
    inmitten Bachgeriesel.

    Wißt ihr,
    weshalb?

    Das Mondkalb
    verriet es mir
    im stillen:

    Das raffinierte Tier
    tats um des Reimes willen.
     
    Christian Morgenstern
  • Die Badekur

    Die Badekur

    Hans Ulrich der Scherer war der
    Begründer der Badekur in Baden-Baden
     
    Das war 1460. Der Leibarzt des badischen Markgrafen Karl I. sicherte seinem Stand das Monopol. Nur ein Scherer, d.h. ein Bader durfte als Badearzt fungieren.
    Auch die „Kurtaxe“ erfand Ulrich.
    Vom Markgrafen erhielt er zwei der Thermalquellen als Lehen. Somit war er auch der erste Kurdirektor.
    Im 16.Jahrhundert erschienen die ersten wissenschaftlichen Badebücher. Paracelsus, Murner und Jacob Balde lobten die heilende Wirkung des Mineralwassers.
    Ihren neuzeitlichen Höhepunkt erlebte die Kur in Europa zu Anfang des 19. Jahrhunderts.
    Baden-Baden erwachte bereits 1796. Der Rastatter Kongreß spülte die gestressten Teilnehmer und deren Begleitung in die Bäderstadt.
    Dr. Anton Guggert, wieder ein Großherzoglicher Leib- und Badearzt, führte die Molkekur ein (2).
    Der berühmteste Arzt des 19.Jahrhunderts war Dr. Georg Groddeck.
    (1) f. „ärztliche Fürsorge“ aus lat. cura ’Sorge/Fürsorge’ in die ärztliche Fachsprache gelangt und seit Gersdorff 1526 Feldbuch der Wunderarznei 61a in dt. Texten nachweisbar.
    F.Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Walter de Gruyter, Berlin 1975
    (2) Unter Molke-Fasten, auch Molkekur oder modifiziertes proteinsubstituiertes Molkefasten, wird eine besondere Form desHeilfastens verstanden, diekurmäßig angewandt wird und bei der die Anwender unter Verzicht auf herkömmliche festeNahrung hauptsächlichMolke und andere Flüssigkeiten zu sich nehmen sollen. Zusätzlich zu Molke wird hierbei empfohlen,Obstsäfte,Sauerkrautsaft sowiekohlensäurefreiesWasser einzunehmen. Alternativ sind bei einigen Anwendern regelmäßige sogenannte Molketage beliebt. Das Molkefasten ähnelt demSaftfasten und ist eine Sonderform derNulldiät.
    Molke selbst ist alsNebenprodukt derKäseherstellung energie- und fettarm, enthält vieleProteine undKalzium und hat durch die enthalteneLactose (Milchzucker) eine abführende Wirkung.
     
    Quellen:
    WIKIPEDIA
    MERIAN Baden-Baden 7/28
  • Erich Kästner. Brief aus einem Herzbad

    Brief aus einem Herzbad

    Wie geht es dir? Es ist schon reichlich spät.
    Der Doktor fände sicher, dass es schadet.
    Das Pferd von droschke 7, heißt es, badet.
    Und selbst die Hunde leben hier diät.

    Sogar der Luft entzieht man Koffein!
    Das Atmen wird dadurch fast ungefährlich.
    Es ist ja leider noch nicht ganz entbehrlich.
    Wie einfach mir das Atmen früher schien...

    Seit gestern nehm ich täglich zwölfmal ein.
    Nichts einzunehmen, wäre das Verkehrteste.
    Hier nehmen alle ein. Sogar die Ärzte!
    Der eine soll so reich wie Morgan sein.

    Das Schönste sind die kohlensauren Bäder.
    Zehntausend Perlen sitzen auf der Haut.
    Man ähnelt einer Wiese, wenn es taut.
    Kann sein, es nützt. Das merkt man erst viel später.

    Ich inhaliere auch. Das ist gesund.
    Da sitzen Herren, meistens hochbejahrt,
    mit Kinderlätzchen vor dem Rauschebart
    und Porzellanzigarren fesch im Mund.

    Des weiteren mach ich die Brunnenkur.
    Das Wasser schmeckt wie Hering mit Lakritzen.
    Dann bleibt man, wie vom Blitz erschlagen, sitzen,
    und die Kapelle schwelgt im „Troubadur“.

    Wer da nicht krank wird, darf für trotzig gelten.
    Der Doktor Barthel untersucht mich oft,
    weil er noch dies und das zu finden hofft.
    Er ist der Chef. Wir sind die Angestellten.

    Ich sehne mich nach einem Glase Bier.
    Nach dir natürlich auch. Doch ich muss baden.
    Kneif dich, in meinem Auftrag, in die Waden.
    Was war denn noch? Ja so: Wie geht es dir?

    Erich Kästner

  • Fliegende Blätter

    Fliegende Blätter

    Fliegende Blatter

     

    hieß eine deutsche Wochenschrift, die von 1845 bis 1928 in München erschien.

    Die einzelnen Ausgaben bestanden aus je acht, lange Zeit undatierten, Seiten und erschienen bald wöchentlich.

     

    Fliegende Blatter 2

    Die Künstler des Pinsels und der Feder gruppiert um die Verleger Braun&Schneider

    Fliegende Blatter 1862

    Weitere Redakteure, gez. W.Busch 1862

     

    Fliegende Blatter Verleger und Mitarbeiter

    Verleger und Mirarbeiter, gez.W.Busch

     

    Veröffentlicht wurden Karikaturen, Gedichte und Erzählungen.

    Besonders beliebt waren die „Serienhelden“. Typen, die das deutsche Bürgertum verkörperten.

    Unter dem Pseudonym Gottlieb Biedermaier veröffentlichten A. Kußmaul und L. Eichrodt ihre Gedichte des „alten Dorfschulmeisters Samuel Friedrich Sauter“

    ab 1855 in den Fliegenden Blättern.

    Darunter waren auch Biedermann und Bummelmeier.

     Bummelmeiers Klage Ko

    Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte, Schloß Rastatt -Bundesarchiv-

     

    Quellen:
    Wikipedia / common
  • P.Siebert ohne Titel, Öl/Lw

     

    Paul Siebert, ohne Titel

    Der Nachlass des Künstlers Paul Siebert ist im Besitz der Stadt Oberkirch

  • Kalenderblatt 17. Juni 1933

    17. Juni 1933 - Bücherverbrennung in Baden

    Heute vor 85 Jahren, am 17. Juni 1933 fanden im „Gau Baden“ (z.B. in Bretten, Heidelberg, Karlsruhe, Offenburg und Pforzheim) im Rahmen der von der Hitler-Jugend durchgeführten „Kampfwoche gegen Schund und Schmutz“, Bücherverbrennungen statt.

    Diese„Aktion wider den undeutschen Geist“ inszenierten die Nationalsozialisten bereits ab dem 7. März 1933.

    Auch in Baden-Baden.

     

     

    Quellen/Links:

    Bildnachweis: © baden-geotouren

  • Bücher auf dem Scheiterhaufen

  • Joachim Ringelnatz: Enttäuschter Badegast

    Enttäuschter Badegast

    Wenn ich im Badeanzug bin

    Und im Familienbade,

    Geht die Erotik fort. Wohin

    Weiß Gott. Wie schade!

    Und Weiber jederlei Gestalt

    Sie lassen alle dann mich kalt,

    Wie die verdammte Jauche

    Der See, in die ich tauche,

    Kalt macht, speziell am Bauche.

    Von der Kabine bis ans Meer

    Geniere ich mich immer sehr.

    Trotz Spucke und trotz Laufgeschwind

    Merkt jede Frau und jedes Kind,

    Daß meine Füße dreckig sind.

    Und niemand fragt woher.

    Daß jemanden, der nicht gut schwimmt,

    Daß man den gar nicht mehr als Mann,

    Sondern als Tauchemännchen nimmt – –

    So handeln Weiber, die bestimmt

    Wären, mich aufzuregen.

    Mir schmeckt das Badewasser nie.

    Ich denke immer an Pipi

    Und kann das auch belegen.

    Es liegt mir fern, hier indiskret

    Krampfadern aufzuwühlen,

    Doch jede Frau, die baden geht,

    Weiß nichts von meinen Gefühlen.

    Joachim Ringelnatz

  • Der Badner Nistkasten - Schwabe schaffe, Badner denke!

    Der Badner Nistkasten - Schwabe schaffe, Badner denke!

    NiOb Die Schwabe schaffe mir denke

     

     

  • Christian Morgenstern: Der Salm

    Der Salm

    Ein Rheinsalm schwamm den Rhein

    bis in die Schweiz hinein.

    Und sprang den Oberlauf

    von Fall zu Fall hinauf.

    Er war schon weißgottwo,

    doch eines Tages - oh! -

    da kam er an ein Wehr:

    das maß zwölf Fuß und mehr!

    Zehn Fuß - die sprang er gut!

    Doch hier zerbrach sein Mut.

    Drei Wochen stand der Salm

    am Fuß der Wasser-Alm.

    Und kehrte schließlich stumm

    nach Deutsch- und Holland um.

    Christian Morgenstern

  • Erich Kästner: Es läuten die Glocken

    Es läuten die Glocken

    Wenn im Turm die Glocken läuten,

    kann das vielerlei bedeuten.

    Erstens: daß ein Festtag ist.

    Dann: daß du geboren bist.

    Drittens: daß dich jemand liebt.

    Viertens: daß dich´s nicht mehr gibt.

    Kurz und gut, das Glockenläuten

    hat nur wenig zu bedeuten.

     

  • Bernstein

    Kulturgeschichte des Bernsteins
     ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

     

    Die Sonne ging auf über dem tropischen Regenwald. Es war schwül und heiß. 
     
    Die Raubmilbe saß auf einer jungen Kiefernadel und konzentrierte sich auf ihr Opfer. Eine Ameise, auf direktem Weg in ihr Verderben.
    Die Sonnenstrahlen wärmten die Milbe, die Ameise, aber auch den großen Harztropfen, der über den Insekten hing.

    Dann ging alles sehr schnell.

    Jahrmillionen lang lag unsere Milbe in ihrem transparenten Grab, von der Sonne getrocknet, vom Sand bedeckt, vom Fluss zum Meer gespült,

    und letztendlich von eiszeitlichen Gletschern nach Süden transportiert.

    Heute sehen wir sie im Museum für Naturkunde in Berlin wieder.

    Fliege und Milbe in Bernstein

     

    Die kleine Milbe und die Ameise lebten im Eozän - vor ca. 50 Millionen Jahren.

    Schon seit Jahrzehntausenden war es damals auf der Erde warm, die Polar-Regionen waren eisfrei. Auch in Osteuropa herrschten tropische Temperaturen. Die Bodentemperatur lag vor 55 Millionen Jahren bei 20°C, der Sauerstoffanteil der Atmosphäre bei 26 Vol% und der Kohlenstoffdioxidanteil bei 2.000 ppm. 25 Millionen Jahre später war die Bodentemperatur auf 18 °C gesunken und der CO2-Anteil auf 500 ppm zurückgegangen.

    Die ersten Laubbäume und Blütenpflanzen wuchsen auf der Erde.

    Raubkatzen, große Laufvögel, die ersten Ur-Pferde durchstreiften die Wälder, und Krokodile und Flusspferde lebten in und an den tropischen Gewässern des heutigen Europas.

    In der Grube Messel, einem Maarsee bei Darmstadt fand und findet man herausragend erhaltene Fossilien aus jener Zeit.

    Im Norden erstreckten sich damals weite Kiefernwälder, Palmen und Farne über eine Fläche, größer als das heutige Europa. 

    Kiefern gibt es schon seit dem Karbon (vor 360 Millionen Jahre). Sie wuchsen bis zu einer Höhe von 60 Meter himmelwärts. 

    Im Karbon betrug der Sauerstoffanteil der Luft über 30%, der CO2-Anteil 800ppm und die Bodentemperatur wie heute 14°C.
    In sumpfigen, hellen Lichtungen jagten damals riesige Libellen mit der Flügelspannweite eines heutigen Falken. 
    Aus dieser Zeit stammt auch der älteste, heute bekannte Bernstein. Er ist 310 Mio. Jahre alt und stammt aus den Steinkohlelagerstätten in Schottland.

    Die verschiedenen Kiefern, die man heute als Pinus succinifera  (Bernsteinkiefer) zusammenfasst, schieden, wie das unsere heutigen Bäume auch in geringerem Maße tun, unter Klimastress und bei Verletzungen, ein Baumharz aus, das zu Bernstein wurde.  

     

    Doliostrobus taxiformis

    Naturkundemuseum Braunschweig



    Bernstein ist ein aus mehreren Kohlenwasserstoffen zusammengesetztes fossiles Harz, erzeugt von Tausenden von Bäumen über Millionen von Jahren.

     

    Bernstein findet sich auf allen Kontinenten. Aktuell sind 200 Fundstellen / Lagerstätten (lt. Wikipedia) bekannt.

     

    https://de.wikipedia.org/wiki/Bernsteinvorkommen

     

    Bernstein findet man nie im entsprechenden Waldboden. Das Harz muss möglichst rasch bedeckt und über Flüsse ins Meer transportiert werden, sonst zerfällt es. 

     

    Vom Bernsteinwald kennen wir nur das Harz.

     

    Über Jahrmillionen existierten diese Wälder.

     

    Kopal bezeichnet ein "junges" Baumharz (< 1 Mio. J.). 

    Auch heute noch gibt es hunderte stark harzende Pflanzen in den Tropen. 

    Im Madagaskar-Kopal sind die Atombombenexplosionen von Hiroshima und Nagasaki nachweisbar. In einem ausgehärteter Kopal.

    Bernstein ist in allen Kulturen ein Glücksstein.

    In Mexiko schützt er vor dem bösen Blick, in der Dominikanischen Republik vor bösen Geistern.

    Seine antiseptische Wirkung war in Europa früh bekannt, sein Wohlgeruch beim Verbrennen von allen Kulturen geschätzt.

    Bernstein fasziniert seit Urzeiten die Menschen, sicherlich aufgrund seiner brillanten Farbgebung und seiner außergewöhnlichen Eigenschaften, aber auch, weil uns in den Einschlüssen (Inklusen) Pflanzenreste, eine Vielzahl von Insektenarten, Schuppen von Reptilien und Haare von Säugetieren ein facettenreiches Bild des damaligen Lebens vermitteln.

    image.png                       

     

    Bernsteintropfen waren "Lichtfallen im Wald" (W. Weitschat).

     

     

    Bernstein - Eigenschaften

    _______________________________________________________________________________________________

    Bernstein ist sehr weich, lässt sich leicht ritzen und bearbeiten, mit Sand wunderbar schleifen und mit Wolle glänzend polieren.

    Bernstein verbrennt mit einem aromatischen weihrauchähnlichen Geruch.

    Unter Luftabschluss (trockene Destillation) erhitzt, schmilzt Bernstein und lässt sich in drei Fraktionen aufteilen:

    - Bernsteinkolophonium 
    - Bernsteinöl (Succinol) 
    - Bernsteinsäure (+ Schwefelwasserstoff)

    Ab 400 °C zersetzt sich Bernstein irreversibel.

    Reibt man ihn z.B. mit einem wollenen Gewebe lädt er sich (negativ) auf.  
    Bernstein hat elektrostatische Eigenschaften und ist ein vorzüglicher Isolator. 
    Auf den Bernstein (gr. elektron) geht der im 17 Jhdt. von W.Gilbert geprägte Begriff der „Elektrizität“ zurück.

    Bernstein ist nahezu inert gegen aggressive Säuren wie Flußsäure; wird in Öl (Firnis) eingelegt weich und schwimmt in gesättigter Salzlösung.

    Spektakulär ist seine Färbung und Transparenz, die Facetten reichen vom reinen Weiß des schaumigen Bernsteins über ein helles Gelb, hin zu den bekannten Brauntönen, dann zum fluoriszierenden Blau, bis hin zum schlackeartigen Schwarz.

    Diese Variationen u.a. durch die Luftbläschen im Bernstein hervorgerufen. Im weißen Bernstein (der auch im Meer schwimmt) finden sich bis zu einer Million Bläschen pro mm3 (1 mm3 entspricht dem Volumen eines Stecknadelkopfes), die mit Luft oder Wasser gefüllt sind.

    Aufgrund seiner vielen Eigenschaften hat er auch viele Namen. 
    Mineralogisch wird er Succinit (lat. Succinum = Saft) genannt, die Griechen nannten ihn Elektron (ἤλεκτρον=hell, strahlend), die Germanen glesum oder glaere (Glas) und die Araber anbar, woraus sich das engl. Amber und das span. Ámbar entwickelte.
    Die deutsche Bezeichnung Bernstein geht auf das niederdeutsche “bernen” 
    (brennen, also Brennstein) zurück.

     

     

    Bernstein

     

    Kunstwerke von Menschenhand

     

     

    Bernsteinbär von Stolp

     

    Bernstein Pferdefigur aus Woldenberg Dobigniew in der Neumark

    Pferd aus baltischem Bernstein, Woldenburg, Neolithikum

     

    Bernsteinmuseum Sellin Pferd Neolithikum Bernsteinmuseum Sellin

     

    Diese zwei Ringe aus baltischem Bernstein wurden in der Basis eines Tempelturms des assyrischen Stadtgottes in Assur gefunden.

                                                                     Zwei Perlen aus baltischem Bernstein aus dem Perlenkissen unter der Ziqqurrat vo 

                                                                                                                                                              Baltische Bernsteinringe, ca. 1.600 v. Chr. LDA Sachsen-Anhalt/Juraj Lipták

     

    Im alten Ägypten war Bernstein kostbar und begehrter als Gold.

    Auf dem äußeren Sarg von Tutanchamun  lag ein Skarabäus aus schwarzem Bernstein aus dem Baltikum.

    Bernstein Skarabäus Tut ench Amun Grabbeilage

    Tutanchamuns Skarabäus, 14. Jhr.  v. Chr. Ägyptisches Museum, Kairo

     

    Dies ähnelt einer Halskette aus einem Hügelgrab in Schwarza (Thüringen).

     

     

    2002 wurde in Qatna (Syrien) in der Felsengruft ein kleiner Löwenkopf aus baltischem Bernstein gefunden.

     

     lion head Qatna Syria 14thC BC Caitlin Green
    Löwenkopf, ca. 14. Jhr. v. Chr.
     

    Bernstein schmückte Europas Elite in der Bronzezeit.

    Bronze Standarte Bernstein

    Miniatur-Standarte mit Bernsteineinlage, Dänemark, Nordische Bronzezeit, Nationalmuseum Kopenhagen

    Das picenische Elfenbein- und Bernsteinkästchen

    Ausgrabungen von 2018 auf dem Colle Ete, Belmonte Piceno, südlich von Ancona

    600 v. Chr. brachten ein Kästchen (16x10x8cm) aus Elfenbein und baltischem Bernstein zutage.

    Kästchen

    600 v. Chr.

    Kästchen (16x10x8cm) aus Elfenbein und baltischem Bernstein.

     

    Sphinx von Grafenbühl I

    Sphinx von Grafenbühl

    späte Hallstattzeit (500 v.Chr.) bei Asberg, Ludwigsburg

    Gesicht aus baltischem Bernstein

     

     

     

    Das Bernsteingesicht von Bernstorf

     

     

    BK 3D

    Bernsteinkette aus dem Hambacher Forst

     

     Im dänischen Ølby wurde Ende des 19. Jahrhunderts ein bronzezeitliches Frauengrab entdeckt.

    Die Frau lag in einem ausgehöhlten Baumstamm, trug eine wunderschöne Gürtelschnalle, einen Rock, an dem kleine Bronzeglöckchen klingelten und ein Oberarmband aus Bernstein mit einer blauen Glasperle, die aus Nippur (Mesopotanien) stammt.

    Grab mit Bernsteingaben 500

     

    Bernstein Mesopotanien I

     

    Es gab Bernsteinstraßen, alte Handelswege von der Nord- und der Ostsee nach Italien, zum schwarzen Meer und später bis nach Asien.

    Bernsteinrouten MGreifswald

    Deutsches Bernsteinmuseum Ribnitz-Damgarten

    Seit dem 12. Jahrhindert galt in Ostpreußen das „Bernsteinregal“, eine vom Deutschen Ritterorden eingeführte Verordnung, die die Bevölkerung zwang, den gefundenen Bernstein an ihren Herrn abzuliefern, ansonsten drohte der Tod am Galgen. Erst im 19. Jahrhundert wurde dieses Gesetz erheblich gelockert.

    Martin Luther bekam von seinem Landesherrn weiße Bernsteine zur Herstellung eines Pulvers gegen seine Gallenbeschwerden geschenkt.

    Im Mittelalter boomte der Bernsteinverbrauch in Europa, die katholische Kirche benötigte Rosenkränze. Die Zunft der Paternostermacher entstand.

    1716 schenkte Friedrich Wilhelm I. dem russischen Zaren Peter dem Großen das Bernsteinkabinett. 

    Bernsteinkabinett 600

     

    Das Original ist verschollen, die Replik existiert in St.Petersburg. 

     

     

    Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in der Medizin eine besondere Eigenschaft des Bernsteins genutzt. Blut in Bernsteinschalen gerinnt wesentlich langsamer.

    Die ersten Transfusionsgeräte bestanden bis zur Erfindung besserer Materialien aus Pressbernstein.

    Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab man Babys kleine, aus Pressbernstein gefertigte Perlen als Zahnungshilfe.

    Bis 1998 produzierten zwei Firmen Bernsteinsalbe.

     

    Bildergalerie

    Sußblattgewachs Blute im Bernstein CAROLA RADKE MUSEUM FUR NATURKUNDE BERLIN AUSSCHNITT

    Süßblatt Blüte im Bernstein,© CAROLA RADKE / MUSEUM FÜR NATURKUNDE BERLIN (AUSSCHNITT)

    ________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

     NINON ROBIN HARVARDNJIT AUSSCHNITT

     © NINON ROBIN (HARVARD/NJIT) (AUSSCHNITT), Bärtierchen, 19. Mio. Jahre, Karibik

     

     ADRIENNE JOCHUM SENCKENBERG FORSCHUNGSINSTITUT UND NATURMUSEEN AUSSCHNITT

    © ADRIENNE JOCHUM / SENCKENBERG FORSCHUNGSINSTITUT UND NATURMUSEEN (AUSSCHNITT) Behaarte Schnecke, 99 Mio. Jahre, Myanmar

     

     

     

     

     

    bark beetle side view.jpg.6423488

    Stegastochlidus saraemcheana,Rindenkäfer,Burma, ca. 100 Mio. Jahre,© OREGON STATE UNIVERSITY (AUSSCHNITT)

     Zecke an Dinofeder DPA E.PeÄalver
    Zecke in Saurierfeder, Myanmar, 100 Mio. J. DPA

     

    Bernstein mit Oculudentavis Schädel

    Myanmar-Bernstein mit Oculudentavis-Schädel, 99 Millionen Jahre, Foto: Lida Xing/dpa

    https://www.n-tv.de/wissen/fundsache/Schaedel-von-Urvogel-steckt-in-Bernstein-article21633280.html

     

    Bernstein Schleimpilz Myanmar 100 Mio. ALEXANDER SCHMIDT GEORG AUGUST UNIVERSITÄT GÖTTINGEN UND SCIENTIFIC REPORTS AUSSCHNITT

    Schleimpilz, Myanmar, 100 Mio. J, ALEXANDER SCHMIDT, GEORG-AUGUST-UNIVERSITÄT GÖTTINGEN UND SCIENTIFIC REPORTS (AUSSCHNITT)

     

    Bernstein Baltisch 44 Mio. Fossile Spannerraupe ARTUR MICHALSKI AUSSCHNITT

    Spannerraupe, Baltisch, 44 Mio.J, ARTUR MICHALSKI (AUSSCHNITT)

     

    Vorderfuss einer Eidechse Dominikanische Republik 17 Mio J

    Vorderfuss einer Eidechse, Dominikanische Republik, 15-20 Mio. Jahre, DPA

     

                                                       Großer Brocken R
    Der größte erhaltene Baltische Bernstein, Gewicht: ca. 10 kg, Maße: 48x22x20 cm, Fundort: Rarwino bei Kamin, Polen, gefunden 1860, Eozän, 50 Mio. Jahre,
    Museum für Naturkunde Berlin

     

    Ensemble R

    Termite und andere Insekten, Baltischer Bernstein, 40 Mio. J.

     

    Spinne Chimerarachne yingi in Bernstein 100Mio Bo Wang

    Spinne, Chimerarachne yingi in Bernstein, 100Mio J., Bo Wang

    Bernstein Myanmar Insektenfarben II

    NANJING INSTITUTE OF GEOLOGY AND PALAEONTOLOGY (NIGPAS)

    Bernstein Myanmar Insektenfarben III

    NANJING INSTITUTE OF GEOLOGY AND PALAEONTOLOGY (NIGPAS)

     

    Die Bernsteinvorkommen in Zhangpu, China

    zeigen, dass im Klimaoptimum des Miozäns, der tropische Regenwald weit nach Norden reichte (24,2°N).

    Darüber berichten die Autoren um Bo Wang.

     

    https://advances.sciencemag.org/content/7/18/eabg0625

     
    F3.large

    Fig. 3 Representative inclusions in Zhangpu amber.

    (A) Feather. (B) Moss (Bryophyta: Anomodontaceae: Haplohymenium). (C) Flower (Fagales: Fagaceae). (D) Pseudoscorpion (Pseudoscorpiones). (E) Pill woodlouse (Isopoda). (F) Water mite (Acari: Hydrachnidia). (G) Springtail swarm (Collembola: Hypogastruridae: Ceratophysella). (H) Centipede (Chilopoda). (I) Harvestman (Opiliones). (J) Jumping spider (Araneae: Salticidae). (K) Snail (Gastropoda: Cyclophoridae). Scale bars, 1 mm (A, B, and E), 0.5 mm (C, D, G, H, J, and K), 0.2 mm (F), and 2 mm (I).

     

    Dass es lebendgebärende Schnecken bereits in der Kreidezeit gab, ist erst seit einem Fund 2021 in Myanmar bekannt.

     TINGTING YU AUSSCHNITT
     Land Schnecke Cretatortulosa gignens mit vier gerade geborenen  Schnecken
    © TINGTING YU (AUSSCHNITT)
     
     

    Willi Weishaupt

    Baden-Geotouren

     

    Literatur:

    • Das Bernsteingesicht von Bernstorf, Dr. Manfred Moosauer, aviso
    • Bernstein-Gold des Nordens, Rule von Bismarck, Wachholtz Verlag Neumünster
    • Spektrum.de

     

    Bildnachweis:

    • Museum für Naturkunde, Berlin
    • Deutsches Bernsteinmuseum Ribnitz-Damgarten
    • Das Bernsteingesicht von Bernstorf, Dr. Manfred Moosauer, aviso
    • Palanga amber park museum (Litauen)
    • Wikipedia Commons

     

    Medien:

    Die Bernsteinstraße

    Arte

    https://www.youtube.com/watch?v=IZrPKwVSQG0&t=722s

     

    Bernstein NZZ

    https://www.youtube.com/watch?v=k-X9_LHx8N8&t=1670s

Go to top