Brief aus einem Herzbad

Wie geht es dir? Es ist schon reichlich spät.
Der Doktor fände sicher, dass es schadet.
Das Pferd von droschke 7, heißt es, badet.
Und selbst die Hunde leben hier diät.

Sogar der Luft entzieht man Koffein!
Das Atmen wird dadurch fast ungefährlich.
Es ist ja leider noch nicht ganz entbehrlich.
Wie einfach mir das Atmen früher schien...

Seit gestern nehm ich täglich zwölfmal ein.
Nichts einzunehmen, wäre das Verkehrteste.
Hier nehmen alle ein. Sogar die Ärzte!
Der eine soll so reich wie Morgan sein.

Das Schönste sind die kohlensauren Bäder.
Zehntausend Perlen sitzen auf der Haut.
Man ähnelt einer Wiese, wenn es taut.
Kann sein, es nützt. Das merkt man erst viel später.

Ich inhaliere auch. Das ist gesund.
Da sitzen Herren, meistens hochbejahrt,
mit Kinderlätzchen vor dem Rauschebart
und Porzellanzigarren fesch im Mund.

Des weiteren mach ich die Brunnenkur.
Das Wasser schmeckt wie Hering mit Lakritzen.
Dann bleibt man, wie vom Blitz erschlagen, sitzen,
und die Kapelle schwelgt im „Troubadur“.

Wer da nicht krank wird, darf für trotzig gelten.
Der Doktor Barthel untersucht mich oft,
weil er noch dies und das zu finden hofft.
Er ist der Chef. Wir sind die Angestellten.

Ich sehne mich nach einem Glase Bier.
Nach dir natürlich auch. Doch ich muss baden.
Kneif dich, in meinem Auftrag, in die Waden.
Was war denn noch? Ja so: Wie geht es dir?

Erich Kästner